Kategorie Klima- & Umweltschutz - 23. August 2022

Trockenheit & Starkregen als wechselnde Wetterextreme

Die extreme Wettersituation, in der Trockenheits- und Hitzephasen in Starkregenereignisse übergehen, ist laut Expertinnen und Experten eine weitere Folge des Klimawandels. Im Herbst könnte das stark aufgeheizte Mittelmeer die Situation verschärfen.

Die Ereignisse, die im Sommer in Österreich zu verheerenden Unwettern führten, waren durchaus exotisch. Aus meteorologischer Sicht vergleichbar war die Situation am ehesten mit der Großwetterlage, die im August 2002 zu dem Hochwasser am Kamp in Niederösterreich geführt hat, erklärte der Meteorologe Leopold Haimberger. Auch damals hat sich über Italien ein Tiefdruckgebiet ausgebildet, das große Mengen an Feuchtigkeit nach Norden geschaufelt hat. Dazu kam viel Feuchtigkeit aus dem Bereich der Ostsee. Auf heftige Gewitter folgten dann Starkregenereignisse: „Solche Wetterlagen treten selten auf, sind aber früher auch schon vorgekommen.“

 

Die Unwetter, die die fünf Todesfälle in Kärnten und Niederösterreich gefordert haben, „waren ein Ereignis, das wirklich sehr schwer vorhersagbar war“, so der Wissenschafter vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien. Schon alleine, dass die Gewitterfront von Süden nach Norden gezogen ist, sei eher ungewöhnlich. Außerdem habe sie „die Alpenketten überwunden, als wären sie nicht vorhanden“, so der Experte.

Grenzen der Vorhersagbarkeit

Klar abgezeichnet habe sich diese Entwicklung aber nicht unmittelbar. Durch die vorhergehende Trockenheit sind viele Niederschläge in der darunterliegenden Luft schnell wieder verdunstet. Diese Luftmassen kühlen danach ab und fallen dann nach unten, erklärte der Experte. Treffen diese dann am Boden auf, entweichen sie seitlich. Daraus resultieren auf kurze Distanzen sehr große Unterschiede in den Windgeschwindigkeiten. Zu erkennen, ob es sich um ein „normales Gewitter“ oder um einen sogenannten „Microburst“ mit den sehr lokal auftretenden Windwürfen handelt, sei äußerst schwierig. „Man kommt da wirklich an die Grenzen der Vorhersagbarkeit.“

Das unterstreicht auch Georg Pistotnik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „Dass die Gewitter anschließend in der heißen, aber trockenen Luft über Österreich und Tschechien nicht regelrecht ‚vertrocknen‘, sondern sich weiter fortpflanzen“, und derart extreme Fallwinde erzeugen, sei ein Szenario, „dass man in solchen Situationen stets im Hinterkopf behalten muss“. Allerdings hätte in diesem Fall nur eine kleine Minderheit der Vorhersagemodelle darauf hingewiesen.

© APA/dpa

Mittelmeer birgt Risiko

Für eine bessere Kommunikation könnten regionale Warnungen per SMS breiter ausgerollt werden, in dem solche Angebote zukünftig möglicherweise gratis versendet würden, sagte Haimberger. Der heurige Hitzesommer hat jedenfalls ein um drei bis vier Grad wärmeres Mittelmeer hinterlassen, als das sonst um diese Jahreszeit der Fall ist. Dazu komme, dass das Meer üblicherweise erst im September seine Höchsttemperaturen erreicht. Das berge ein entsprechend großes Risiko, sagte Haimberger.

Je mehr Wärme dort vorherrscht, umso mehr Energie gibt es prinzipiell zur Bildung von Gewittern. Warme Sommer bringen eine gut dokumentierte höhere Wahrscheinlichkeit für Starkregenereignisse in den südlichen Alpen oder in der Toskana bis in den November hinein mit sich. Damit sich diese auch manifestieren, braucht es einerseits das heuer zuhauf vorhandene Potenzial und einen Auslöser. „Das ist durchaus vergleichbar bei der Situation mit den tropischen Wirbelstürmen in der Karibik.“

Klimaforschung bestätigt

Als Auslöser fungiert kältere Luft in höheren Lagen der Atmosphäre, die im Spätsommer oder Herbst weit in den Süden vordringt. Über den Wind kommt es zu einer Koppelung zwischen dem warmen Wasser und der Luft darüber. Der Wind fördert die Verdunstung, was das Tiefdruckgebiet stärkt und die Winde weiter aufleben lässt. Das System schaukelt sich also auf, was in Europa die starken Tiefdruckgebiete und in der Karibik die Hurricanes erzeugt.

Dass solche Starkregenereignisse auch in unseren Breiten häufiger werden, weil sich die Meere erwärmen, die Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, liege auf der Hand. Gleichzeitig kommt es vermehrt zu langen Trockenphasen, weil sich Wetterlagen weniger oft als früher abwechseln. Rekordverdächtig niedrige Fluss- und Seepegelstände in Kombination mit Rekordniederschlägen passen in die Beobachtungen und auch zu den Warnungen von Klimaforscher:innen in den verganenen 15 Jahren.

Haimberger plädiert daher dafür, „die Klimaänderung ernst zu nehmen“, ortet aber auch, dass diesbezüglich nun ein Umdenken in der Bevölkerung stattfindet. Als problematisch seien in dem Kontext die nach wie vor starken Widerstände in einigen Interessensvertretungen anzusehen, die wichtige Vorhaben wie den Beschluss eines wirksamen Klimaschutzgesetzes bremsen.

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