Kategorie Innovation & Technologie - 30. März 2016

Vorfahrt für leichte Flitzer aus Holz

Graz – Autos aus Holz – das klingt nach Seifenkisten oder der Vision von Öko-Phantasten. Aber so absurd ist die Sache nicht: So verwendet etwa die britische Morgan Motor Company für ihre leichten und superstarken Sportwagen Rahmen aus Eschenholz. Diese in begrenzter Zahl produzierten Fahrzeuge haben Kultstatus.

Den Werkstoff Holz hat auch die moderne Fahrzeugindustrie jenseits exklusiver Nischenprodukte seit einigen Jahren ins Auge gefasst. Auf der Suche nach leichten, umweltschonenden und leistungsstarken Materialien nahm die Forschung als Ersatz für Stahl und Aluminium zunächst Verbundwerkstoffe wie Glas- und Kohlefaser ins Visier. „Mittlerweile weiß man aber, dass diese Technologie sehr teuer ist, die benötigten Ressourcen begrenzt sind und die CO2-Bilanz ein Problem darstellt“, berichtet Thomas Jost vom Kompetenzzentrum Virtual Vehicle in Graz – ein durch das Programm Comet von Wissenschafts- und Verkehrsministerium gefördertes Forschungsinstitut.

Eine kostengünstigere, laufend nachwachsende und gut recyclebare Alternative dazu könnte Holz sein. „Viele Fahrzeugbesitzer sind aber gerade auf ihr fahrbares Blech stolz – je schwerer es ist, desto besser“, verweist Ulrich Müller vom Institut für Holztechnologie und nachwachsende Rohstoffe der Boku Wien auf die umweltschädliche Seite gewisser Alltagsmythen. „Da muss es noch zu einem Paradigmenwechsel kommen!“

Dass Holz trotz seiner vielen guten Eigenschaften eher selten für neue Produkte eingesetzt wird, habe auch mit dem Fehlen genauer Daten zu diesem Werkstoff und seinem Verhalten in Belastungssituationen zu tun. Entsprechende Datenbanken mit detaillierten Werkstoffkenndaten sind aber die Basis für Simulationen, ohne die heute kaum noch neue Produkte entstehen. Auch in der Automobilindustrie ist der Entwicklungsprozess unmittelbar an Simulationsprogramme gekoppelt.

Aus diesem Grund haben sich die Wiener Holzexperten mit den Grazer Fahrzeugentwicklern zusammengetan und ein Materialmodell für die Simulation von Holz entwickelt. Um die dafür nötigen Daten zu Bruch- und Biegeverhalten oder Steifigkeit zu bekommen, mussten die Forscher zunächst mehr als 600 Kleinproben brechen. „Mit dem Materialmodell können wir nun anhand unseres Modellfahrzeugs ‚Cult‘ (Cars Ultralight Technology) den Crashfall simulieren“, berichtet Müller. „Mittlerweile können wir beliebige Bauteile virtuell in den Cult einbauen, das Auto in der Simulation gegen die Wand fahren und uns die Performance der Holzkomponenten im Detail anschauen.“ Konkret wurden der Unterboden, die Rücksitzwand und Armaturenträger durch Elemente aus Schicht- und Sperrholz sowie Faserplatten ersetzt.

Härtetest gegen Vorurteile

Zum Abgleich der Simulationsdaten mit der Realität haben Forscher des Instituts für Verkehrssicherheit an der TU Graz 22 Holzkomponenten in ihrer Crashtest-Halle den Härtetests unterzogen. „Die Ergebnisse stimmten mit den Simulationsdaten gut überein“, freut sich Müller. Mit der Möglichkeit der Simulation ist Holz also eine berechenbare Größe geworden – auch für die Autoindustrie.

Das sollte dabei helfen, hartnäckige Vorurteile durch Fakten zu ersetzen, hofft der Forscher. „Dass Holz bei starker Beanspruchung nicht brechen oder bei konstanter Nässe nicht mit der Zeit auseinanderfallen muss, beweisen Holzschiffe immerhin schon seit mindestens 20.000 Jahren“, sagt der Materialwissenschafter. Für ihn ist Holz ein Hochleistungswerkstoff: „Ich kenne keinen anderen Werkstoff, der bei gleicher Dichte eine solche Festigkeit und Steifigkeit aufweist. In vielen Bereichen hat Holz sogar bessere Eigenschaften als Metall oder Kunststoff.“

Weil technische Machbarkeit, niedrige Rohstoffkosten und die Nachhaltigkeit des Materials allein aber noch nicht reichen, um die Industrie zu überzeugen, müssen auch die Produktionskosten niedrig sein. Ein zentrales Thema ist für die Forscher deshalb auch die Entwicklung neuer Produktionskonzepte. „Da wir an bestehende Fahrzeugkomponenten andocken wollen, denken wir dabei vor allem an Verbund- und Hybridbauweisen“, erläutert Müller. Es werden also neue Verbundwerkstoffe aus Holz und Metall sowie aus Holz und Kunststoff entstehen. „Letztlich geht es uns darum, bewährte Technologien optimal zu kombinieren.“