17. November 2015
„Wenn es um öffentliche Aufgaben geht, dann sollten die Firmen im öffentlichen Einfluss bleiben!“
Sein Ministerium gehört zu den gewichtigsten im Lande, was die Größe der Unternehmen und die damit verbundenen Zukunftsfragen betrifft: Alois Stöger hat dieses Interview Gewinn-Herausgeber Georg Wailand im Rahmen einer Reise nach Vietnam gegeben, wo der Minister quasi als „Türöffner“ für prominente österreichische Firmen fungierte. Mitten in Asien, wo die Wachstumsraten ein Vielfaches von jenen in Europa betragen, kamen aber auch spezifisch österreichische Themen nicht zu kurz.
Gewinn: Gerade hier in Vietnam kann man gut erkennen, wie essenziell eine ausreichende Infrastruktur für weitere Wachstumsschübe ist. Der Bedarf ist riesig, vom Ausbau der Bahn über die Energie- und Wasserversorgung bis hin zu modernen Kommunikationsnetzen.
Stöger: Unsere Firmen sind hier bekannt und anerkannt, wir haben auch viel zu bieten. Die Unternehmen hier in Asien sind wie ein Schwamm, sie wollen alles aufsaugen, was zu bekommen ist . . .
Gewinn: In Österreich hat der Bahnausbau in jüngster Zeit einen neuen Schub bekommen.
Stöger: Ja, das ist nicht übertrieben. Im Rahmen des neuen ÖBB-Rahmenplans wurden die Ziele der Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) bis 2025 fixiert und die Investitionen bis 2021 finanziell bestätigt. Das bedeutet 14 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen in einen großen Bereich. Der Brenner-Basistunnel, der Semmering-Basistunnel, die Verbindung Wien-Bratislava, bei all diesen großen Projekten gibt es jetzt finanzielle Sicherheit. Die Bedeutung des Bahnausbaus steht inzwischen außer Streit: Zwei Stunden und 22 Minuten von Wien nach Salzburg, eine Stunde und 45 Minuten von Linz zum Flughafen Schwechat – da kann jeder ermessen, wie vorteilhaft die erstmalige Verknüpfung von verschiedenen Verkehrsträgern ist. In diesem Sinne werden wir auch die regionalen Bahnhöfe modernisieren, mit einem attraktiven Taktfahrplan, mit allen kundenrelevanten Details, vom Fahrradtransport bis hin zu Busparkplätzen. Es ist wichtig, dass wir diesen Investitionsschub abgesichert haben und im Budget vereinbaren konnten.
Gewinn: Und bei der Straße?
Stöger: Wir investieren jährlich 1,1 Milliarden Euro in das hochrangige Straßennetz, und zwar über die Asfinag. Wir bauen Autobahnen vierspurig aus, das betrifft auch Tunnels. Die Palette beginnt bei der Phyrn-Strecke, führt über die A 23 in Wien bis hin zur A 26 und der Verbreiterung der Voestbrücke beziehungsweise zur S 7 in der Steiermark mit der besseren Verbindung ins Burgenland.
Gewinn: Alles sehr schön, aber Deutschland droht uns mit der Einführung einer „Ausländer-Pkw-Maut“.
Stöger: Wir haben gute Beziehungen zu Deutschland, in dieser Frage jedoch haben wir unseren ablehnenden Standpunkt von Beginn an sehr klar zum Ausdruck gebracht und in der Kommission der Europäischen Union (EU) inzwischen Verbündete gefunden, die unsere Rechtsmeinung teilen. So wie angekündigt können die deutschen Mautpläne nicht umgesetzt werden. Eine Ausländerbenachteiligung wird die EU nicht akzeptieren.
Gewinn: Aber bei uns sorgen sich die Spediteure, dass in Österreich eine erweiterte Lkw-Maut kommen könnte.
Stöger: Das ist bestenfalls eine Diskussion zwischen den Bundesländern, von einer Einigung sind die aber weiter entfernt, als manche glauben!
Gewinn: Im Flugverkehr haben Sie die Ticketsteuer unlängst kritisch erwähnt, Sie meinten, eine Abschaffung könnte mehr bringen, als die Einnahmen von rund 100 Millionen Euro ausmachen.
Stöger: Das ist natürlich ein Thema, das in die Zuständigkeit des Finanzministers fällt. Aus verkehrspolitischer Sicht spricht einiges für eine Abschaffung, weil Österreich im internationalen Wettbewerb dadurch schlechter dasteht. Wenn wir schon starke Fluglinien in Wien haben wollen, dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Ich würde jedenfalls kein Veto gegen eine Abschaffung der Ticketsteuer einlegen. . . Der Flughafen Wien ist für ganz Österreich wichtig, genauso wie eine leistungsfähige Airline, wir sind Standort der Vereinigten Nationen (UNO), unsere Betriebe brauchen vor allem nach Osteuropa beste Verkehrsverbindungen, all das prägt unsere Standortqualität!
Gewinn: Kommen wir zur Telekommunikation. Sie haben eine Breitband-Milliarde angekündigt. Wo bleibt sie?
Stöger: Die ist zugesagt und die kommt. Was noch fehlt, sind zum Beispiel Genehmigungen durch die EU, und dass die Unternehmen diese Milliarde verdoppeln. Hätte man die Mehrheit an der Telekom Austria nicht verkauft, wäre es wahrscheinlich leichter, das umzusetzen. Da hätten wir eine bessere Steuerungsmöglichkeit gehabt. Ja, Daten sind die Chance auf Freiheit, da wollen wir daran teilhaben und auch sicherstellen, was damit passiert. Wie wichtig uns das ist, zeigt ja auch die neue Initiative mit den drei Mobilfunkbetreibern, wo 100 Millionen Euro investiert werden, um möglichst störungsfrei während der Zugfahrt kommunizieren zu können.
Gewinn: Wenn Sie schon den Verkauf der Telekom-Austria-Mehrheit kritisch erwähnt haben – wie halten Sie es mit weiteren Privatisierungen?
Stöger: Ich habe gelernt, dass die Infrastruktur im öffentlichen Einfluss bleiben soll. Das wird nirgendwo privat finanziert. Darum vertrete ich den Standpunkt, dass der öffentliche Einfluss da gewahrt bleiben muss. Die Kernfrage lautet ja: Was nutzt es den Menschen, wenn das privatisiert wird? Ich meine, dass der öffentliche Einfluss da als Steuerungselement bleiben soll.
Gewinn: Bei der VW-Diesel-Affäre haben Sie in Österreich ein Machtwort gesprochen?
Stöger: Das klingt ein wenig irreführend. Faktum ist, dass es jetzt aus Deutschland rechtlich verpflichtende Vorgaben für ganz Europa gibt. Das bedeutet bei uns, dass 2016 alle betroffenen Fahrzeuge Nachjustierungen in den Werkstätten bekommen müssen, und zwar ohne Mehrkosten für die Kunden. Das sind 363.000 Autos unterschiedlicher Typen.
Gewinn: Abschließend noch eine politische Frage: Was halten Sie als gebürtiger Oberösterreicher von der ÖVP–FPÖ-Koalition in Ihrem Heimatbundesland?
Stöger: Es haben doch alle gesehen, dass die FPÖ nicht regieren kann. Reicht das Problem, das ganz Österreich mit der Hypo Alpe-Adria bekommen hat, nicht? Verursacht von der Kärntner FPÖ? Auch das Regieren mit der FPÖ im Burgenland wird ein Problem werden, meine ich. Daher finde ich es schade, dass Pühringer das gemacht hat!
Also sprach der Minister über . . .
. . die Ticketsteuer:
„Das ist Sache des Finanzministers, aber ich würde sicher kein Veto einlegen, wenn er sie abschaffen will. Die Ticketsteuer bewirkt Nachteile für unseren Standort im internationalen Wettbewerb.“
. . die Auswirkungen von Industrie 4.O:
„Das wird völlig neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Da werden neue Logistiksysteme entstehen, das ist alles so dynamisch, dass man sich beeilen muss, um die Entwicklung nicht zu verschlafen!“
. . die Mautpläne der Deutschen:
„Wir haben mit unseren Nachbarn eine gute Gesprächsbasis. In der Frage der Pkw-Maut aber haben wir von Beginn an klar gemacht, dass wir dagegen sind. Inzwischen teilt auch die EU-Kommission unseren Rechtsstandpunkt.“
. . über die vielen Milliarden für den Bahnausbau:
„Es steht inzwischen außer Streit, dass ein Land wie Österreich von einem guten Bahnnetz, das erstmals auch mit anderen Verkehrsträgern wie Flughäfen und Busstrecken verknüpft wird, profitiert. Da sind wir für viele zum Vorbild geworden. Das habe ich gerade jetzt bei meinem Besuch in einem so aufstrebenden Land wie Vietnam mit seinen mehr als 90 Millionen Menschen gesehen. Da ist der Investitionsbedarf riesig, wir in Österreich haben da schon viel erreicht.“