Kategorie Innovation & Technologie - 26. April 2017

Wenn Töne die Ohren durchdringen

Wien – Lärm belastet den Organismus, Lärm ist, wenn man ihn zu oft und zu lange erdulden muss, schädlich für die Gesundheit und kann zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen und Depressionen beitragen. Schon ab 60 Dezibel, der Maßeinheit für Schallpegel, verändert sich der Herzschlag, bei Verkehr (etwa 75 bis 90 Dezibel) oder Baustellen (etwa 80 Dezibel) ist er deutlich höher. Ab 80 sieht der Arbeitnehmerschutz Maßnahmen vor, die das Gehör der Betroffenen schützen.

Lärm hängt aber auch mit individuellen Empfindungen zusammen. Was manche Menschen schon als störend empfinden, nehmen andere nicht einmal wahr: Ballspielen im Hof der Wohnanlage oder der Nachbar, der dank dünner Wände hörbar den Fernsehapparat laufen hat. Schon ein tropfender Wasserhahn kann als störender Schall empfunden werden – als nichts anderes bezeichnen Experten Lärm. Die „Lästigkeit“ desselben ist durch persönliche Faktoren beeinflusst.

Ausstellung mit Aha-Effekte

Die beste Schutzmaßnahme ist Prävention, wie Bernhard Laback, Psychoakustiker am Institut für Schallforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), meint. Deswegen werden alljährlich am Tag gegen den Lärm die Institutstore in Wien-Wieden für ein interessiertes Publikum geöffnet – so auch heute, Mittwoch, den 26. 4. An mehr als 20 Stationen wird demonstriert, wie Schall entsteht, wie man ihn verorten kann und wann er störend wird. Dabei könnte es durchaus Aha-Effekte geben, sagt Laback und verweist auf U-Bahn-Fahrgäste, die via Kopfhörer ihrer bevorzugten Musik lauschen und wegen der Nebengeräusche den Ton sehr laut drehen – und erst nach dem Aussteigen merken, welchem Stress sie sich gerade ausgesetzt haben.

Er spricht von einem zunehmenden Problem, das allerdings noch nicht gut erforscht sei, das nicht nur auf die Ohren negative Auswirkungen haben könnte: Denn Schall hat auch eine Alarmfunktion für Mensch und Tier, wenn aber Musik alles andere überlagert, kann man Autos nicht gut hören und wird in entscheidenden Momenten abgelenkt, sagt Laback. „Radfahrer in Städten sind unter anderem deshalb nicht selten in Unfälle verwickelt.“

Mit mangelnder Konzentration und Sprachverständlichkeit durch störenden Schall beschäftigt sich der Wissenschafter nun im Rahmen des Österreichischen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung (ÖAL): Das Erlernen der Sprache sei im Kindergarten problematischer als gedacht. Migrantenkinder werden laut Laback von der Lautstärke anderer Kinder abgelenkt, weil sich meist mehrere Aktivitäten in eingeschränkten räumlichen Bedingungen abspielen. „Während die einen Kinder spielen, sollte eine andere Gruppe womöglich beim Vorlesen zuhören. Das kann nicht gutgehen.“

Ergebnis der Arbeit wird ein Maßnahmenkatalog mit Empfehlungen für Lärmschutzmaßnahmen sein, um vor Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres Adaptierungen vornehmen zu können.

Form der Lärmschutzwände

Die Schallforscher der Akademie der Wissenschaften werden natürlich auch zur Analyse ganz offensichtlicher Lärmprobleme herangezogen. Holger Waubke und Christian Kaseß von der Arbeitsgruppe „Physikalische & numerische Akustik“ erzählen von Projekten, die für Anrainer von Autobahnen und Bahntrassen relevant sein dürften.

Die Forscher haben, finanziert vom Verkehrsministerium und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, errechnet, welche Lärmschutzwände am effektivsten sind. Sollten sie gerade, nach innen gebogen oder nach außen gebogen sein? Und in welcher Höhe sind die Wände noch vertretbar, damit nicht allein dadurch die Fahrgäste im Zug und die Anrainer gestört werden. Das Ergebnis des Projekts RELSKG, das für den Autobahnbetreiber Asfinag und für die ÖBB umgesetzt wurde: Die beste Lösung für möglichst geringe Umweltbelastung ist eine Wand in Form eines T, wodurch bei vergleichbarer Wirkung auch die Höhe reduziert werden kann.

Lärmarme Rumpelstreifen

Die Experten untersuchten auch die durch Rumpelstreifen auf der Autobahn verursachte Lärmbelastung für Anrainer. Eine Maßnahme für die Verkehrssicherheit, die problematische Nebenwirkungen haben kann: Offenbar kann mit geänderten Fräsungen der Beläge die Lärmbelastung reduziert werden. Dazu gab es an einer Teststrecke Messungen.

Insgesamt wird die Lärmbelastung durch die fortgeschrittene Technisierung der Umwelt höher. Schäden können bleibend sei. Taubheit gehört im Regelfall nicht dazu – das ist angeboren oder wird durch Infektionen und Kopfverletzungen verursacht. Am Schallforschungsinstitut bietet man dennoch auch einen Hörtest an. Damit man weiß, ob man noch richtig hört. (Peter Illetschko, 26.4.2017)


Ausstellung
Am 26. 4., 9.30-17.30 Ort: Institut für Schallforschung, Wohllebengasse 12-14, 1040 Wien