Kategorie Innovation & Technologie - 7. Oktober 2020

Wie künstliche Intelligenz zum Erreichen der Klimaziele beitragen kann

Trotz Coronakrise wird der Klimawandel uns als größte und bedrohlichste globale Herausforderung für lange Zeit beschäftigen. Es ist mehr als an der Zeit, mit der Umsetzung von Maßnahmen dagegen anzukämpfen. Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) bieten sich an, Teil solcher Maßnahmen zu sein: Sie könnten zur Eindämmung des Klimawandels und allgemein zur Bewältigung einer Vielzahl von Umweltproblemen beitragen, wie der Technikphilosoph des Österreichischen Rats für Robotik und künstliche Intelligenz Mark Coeckelbergh von der Universität Wien in einem soeben erschienenen Fachartikel erläutert.

Vergegenwärtigen, „was auf dem Spiel steht“. © https://climatescenarios.org/earth/

KI kann und sollte seiner Meinung dazu beitragen, eine grünere, nachhaltigere Welt aufzubauen und dabei helfen, den Klimawandel zu bewältigen. All diese Möglichkeiten werfen jedoch auch wichtige ethische und politische Fragen auf, die für Erfolg oder Misserfolg solcher Vorhaben durchaus entscheidend sein können. So kann der umfangreiche Einsatz von KI und den erforderlichen Rechenleistungen zu einem erhöhten Energieverbrauch führen und damit den Klimawandel dadurch sogar begünstigen. Ethische Fragen ergeben sich aus dem diversen Umgang mit Klimawandelfolgen und entsprechenden Maßnahmen, die auf der ganzen Welt sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Fragen zur (Klima)Gerechtigkeit kommen dann hinzu, wenn beispielsweise KI-basierte Kompromisse zwischen wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und der Achtung der menschlichen Freiheit plötzlich im Raum stehen. Ganz zu schweigen von quasi programmierten Kollisionen mit Privatsphäre und Datenschutz.

Mit KI zur Klimawende

Dennoch liegt in der KI laut Coeckelbergh auch in puncto Klimaschutz riesiges Potential und es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie KI, insbesondere in Form des Machine Learnings, zur Bewältigung des Klimawandels eingesetzt werden kann. So kann KI helfen, Daten über Temperaturänderungen und Kohlenstoffemissionen zu sammeln und zu verarbeiten, Wetterereignisse und Klima vorherzusagen, die Auswirkungen extremer Wetterbedingungen aufzuzeigen, Vorhersagen darüber zu verbessern, wie viel Energie wir benötigen, und den Energieverbrauch in sogenannten Smart Grids zu steuern.

© Daniel Bieber

KI kann umfassende Daten über gefährdete Arten zusammenstellen, den Transportsektor so transformieren, dass dort weniger CO2-Emissionen anfallen und ein effizienteres Energiemanagement und -routing im Verkehr entsteht, KI kann illegalen Rodungen nachspüren und die Kohlenstoffemissionen der Industrie ebenso wie die gefährdeten Ökosysteme unseres Planeten überwachen. KI kann Dürren prognostizieren und eine präzisere Landwirtschaft, intelligenteres Recycling ermöglichen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher anhalten, sich klimafreundlicher zu verhalten und ein Bewusstsein für die Umwelt- und Klimaauswirkungen ihres Verhaltens zu schaffen. Im Rennen um solche Anwendungen sind neben Regierungen freilich vor allem die großen Technologieunternehmen wie Microsoft, Amazon und Google ganz vorne dabei. Sie haben längst begonnen, in Programme zu investieren, die KI-Anwendungen zur Bekämpfung des Klimawandels entwickeln.

Das BMK veranlasste 2017 die Gründung des Robotik-Rates, der Strategien für den Umgang mit künstlicher Intelligenz und Robotik erarbeiten soll.

Auch in der Produktion ist KI in den letzten Jahren das Technologiethema schlechthin geworden. Und auch hier erzeugen Maschinen, die nun Entscheidungen autonom treffen und die für ihre Entscheidungen viel mehr Daten bewerten können als wir Menschen Verunsicherung und bei vielen auch Unwohlsein, wie Franz Höller, Chief Technology Officer der Keba AG sowie ebenfalls Mitglied des Österreichischen Robotikrates feststellt. Medial seien häufig autonom fahrende Autos, Mitarbeiterauswahl mittels KI-Algorithmen oder medizinische Diagnosen, die mittels KI-Systemen erstellt werden, im Fokus und in all diesen Bereichen sind wichtige Fragen zu Moral und Ethik mit der Technologie eng verknüpft. „Ein essenzielles Thema für uns als Gesellschaft, wenn es in vielen Anwendungsbereichen um die Nutzung von künstlicher Intelligenz geht“, so Höller.

KI und Ressourcenschonung

KI kann aber zum Beispiel in der Automatisierung von Industrieprozessen einen maßgeblichen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz eröffnet ganz neue Möglichkeiten, Prozesse und Vorgänge flexibler und agiler, sowie einfacher und präziser zu gestalten. Dadurch werden Werkstoffe effizienter eingesetzt und nicht verschwendet, Ausschuss reduziert und somit Abfall vermieden oder auch durch optimierte Prozesse Energie gespart. KI kann auch dafür sorgen, dass sich durch optimale Wartung die Lebensdauer einer Maschine erhöht, eine Neuanschaffung zeitlich später erforderlich wird und somit wiederum Ressourcen geschont werden. Auch entlastet der Einsatz von KI Menschen von Routinetätigkeiten und stellt ihre Kompetenzen für andere, individualisiertere Tätigkeiten zur Verfügung.

Durch KI-basierte Spracheingabelösungen wird dem Robotersystem per Spracheingabe mitgeteilt, was zu tun ist. © KEBA

KI in der Automatisierung

In Linz beschäftigt man sich bei Keba schon lange mit dem Thema Künstliche Intelligenz und ihren Einsatzmöglichkeiten. In der Industrieautomatisierung werden die vorhandenen Automatisierungslösungen für Roboter und Maschinen durch die Einbindung von KI-Technologien intelligenter. KI versetzt die Systeme in die Lage, nicht nur den im Vorhinein programmierten Anweisungen zu folgen, sondern über ihre Signalschnittstellen und mittels Sensoren ihre Umgebung als Gesamtes wahrzunehmen. Aufgrund dieser Daten und mit Hilfe trainierter KI-Algorithmen leiten sich die für den jeweiligen Fall bestmöglichen Reaktionen ab. Feedbackmechanismen sorgen für einen Lerneffekt, um in Folge die Aufgaben immer besser lösen zu können.

Etwa drei Millionen Industrieroboter sollen derzeit weltweit im Einsatz sein. Das Robotics-Institut der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Klagenfurt beschäftigt sich intensiv mit den Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter. © Joanneum Research

Praktisch passiert diese Erweiterung durch ein eigens von Keba entwickeltes KI-Modul, welches die entsprechenden Methoden und Verfahren (Algorithmen) beinhaltet, ein Hochleistungsrechner im Kleinstformat. Als lokale Intelligenz operiert dieses KI-Modul direkt in der Maschine und das spart wiederum Ressourcen. KI benötigt ob der zu verarbeitenden Datenmenge große Rechnerleistungen. Betreibt man KI als Cloudlösung, braucht man große Datenübertragungskapazitäten. Mit lokaler Intelligenz spart man diese Netzkapazitäten und damit wiederum indirekt Ressourcen und Energie.

Mensch und Maschine arbeiten miteinander

Ein konkretes Beispiel für die Anwendung dieses Moduls im Bereich der Smart Robotik verdeutlich den Nutzen von KI im industriellen Umfeld. Normalerweise müssen die Bahnen, die ein Roboter abfahren soll, sowie die zu verrichtenden Tätigkeiten, wie zum Beispiel das Anheben, Transportieren und Ablegen eines Teils, über klassische Eingabelösungen programmiert werden. Dafür ist üblicherweise entsprechendes Experten-Know-how erforderlich. Durch KI basierende Spracheingabelösungen wird es möglich, dem Robotersystem ganz einfach per Spracheingabe mitzuteilen, was es machen soll. Und das möglichst wie in einem normalen Gespräch. Damit nähert man sich immer mehr dem Ziel, Mensch und Maschine miteinander arbeiten zu lassen.

Ein zweites Beispiel aus den Anwendungsfeldern der KI bei Keba, ist die „vorhersagbare Störungsbehebung“ (Predictive Maintenance). Auch hier erkennen intelligente, KI-basierte Algorithmen durch das Überwachen der geräteinternen Signalflüsse und deren Veränderungen Abnützungserscheinungen an Maschinenkomponenten. Dadurch kann rechtzeitig auf eine sich anbahnende Störung hingewiesen, der Betrieb der Maschine an diese Situation angepasst und der passende Zeitpunkt für eine Wartung oder Reparatur gewählt werden.

Der Robotik-Rat v.l.n.r.: Mark Coeckelbergh, Martina Mara, Erich Schweighofer, Andreas Kugi, Sabine Köszegi, Matthias Scheutz, Franz Höller, Corinna Engelhardt-Nowitzki, Fridolin Herkommer © acrai

Je mehr Geräte, etwa Geldautomaten, in einem Verbund zusammengeschlossen werden, desto treffsicherer können durch selbstlernende Algorithmen auch versteckte Muster aufgespürt und vielschichtige Wirkungszusammenhänge erkannt werden. Die Vorteile von Predictive Maintenance sind eine sehr hohe Verfügbarkeit der Geräte. Ausfallzeiten und Stillstände werden minimiert, da Probleme behoben werden können, noch bevor sie die Funktion des Automaten bzw. der Systeme beeinträchtigen.

Umweltschutz durch KI

Und auch dieses Beispiel zeigt, dass derartige Anwendungen den Ressourcenverbrauch reduzieren. Komponenten werden über die gesamte Lebensdauer genutzt, da sie nicht vorsorglich getauscht werden müssen, ungeplante Serviceeinsätze mit allen ihren Implikationen auf die Umwelt werden reduziert und die nächste Gerätegeneration profitiert von diesen Erkenntnissen.

KI ist demnach eine von mehreren Schlüsseltechnologien, die zum Erreichen der Klimaziele durch Effizienzsteigerungen, einer damit einhergehenden Reduktion von Treibhausgasemmisionen und der damit verbundenen Einsparung beim generellen Ressourcenverbrauch, beitragen kann.

Service: Die Strategie zur Zukunft der Künstlichen Intelligenz in Österreich sowie das White Paper des Robotik-Rates, jeweils als .pdf zum Download.

Hintergrund: Der Österreichischen Rat für Robotik und künstliche Intelligenz dient als Beratungsorgan des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), dessen Empfehlungen allen ÖsterreicherInnen zur Verfügung stehen. Er besteht aus ExpertInnen zu Robotik und Künstlicher Intelligenz aus Forschung, Lehre und Wirtschaft und identifiziert und diskutiert aktuelle und künftige Chancen, Risiken und Herausforderungen, die sich aus dem Einsatz von Robotern und autonomen Systemen (RAS) sowie Künstlicher Intelligenz (KI) ergeben. Vorsitzende des Rates ist Sabine Köszegi, Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation an der TU Wien. Neben Köszegi gehören dem Gremium Andreas Kugi (TU Wien/AIT Austrian Institute of Technology), Corinna Engelhardt-Nowitzki (Fachhochschule Technikum Wien), Mark Coeckelberg, (Uni Wien), Sylvia Kuba (Arbeiterkammer), Martina Mara (JKU Linz, Ars Electronica Futurelab), Matthias Scheutz (Tufts School of Engineering, USA), Erich Schweighofer (Uni Wien) und Franz Höller (Chief Technology Officer der Keba AG sowie Mitglied der Strategiegruppe Technologie & Innovation der Wirtschaftskammer Oberösterreich und des Vereins der Partnerfirmen des Software Competence Center Hagenberg) an.

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