Kategorie Klima- & Umweltschutz - 21. Dezember 2021
Seeadler: In Österreich einst ausgestorben, nun wieder mit stabiler Population
351 Jungvögel dokumentiert, 16 Länder bereist, aktuell 44 Brutpaare – Illegale Verfolgung ist größte Bedrohung
Der Seeadler war einst ein Charaktervogel der europäischen Meeresküsten, aber auch der großen Flüsse, Seen und Feuchtgebiete im Binnenland. Im 19. und 20. Jahrhundert ist er durch gezielte Verfolgung, Lebensraumzerstörung und Pestizideinsatz an den Rand der Ausrottung gebracht worden.
Im Jahr 2000 galten Seeadler in Österreich noch als ausgestorben. Bis man vor 20 Jahren erstmals Jungvögel in den March-Auen nachweisen konnte. Heute gibt es laut eines neuen WWF-Berichts wieder 44 Brutpaare von Österreichs Wappentier und damit eine stetig wachsende, stabile Population. „Die Rückkehr der Seeadler ist eine absolute Erfolgsgeschichte im heimischen Naturschutz.
Durch länderübergreifende Maßnahmen und viel Engagement findet eine ehemals ausgerottete Art wieder eine Heimat in Österreich“, so Andrea Johanides, Geschäftsführerin des WWF Österreich. Die Naturschutzorganisation trug mit ihrem Schutz- und Forschungsprogramm maßgeblich zum Comeback der majestätischen Greifvögel bei. Vor allem Niederösterreich, das Burgenland, die Steiermark und Oberösterreich bieten den Seeadlern heute wieder wertvollen Lebensraum.
312 Bruten und 351 Jungvögel konnte der WWF hierzulande in 20 Jahren dokumentieren. 32 Tiere wurden mit federleichten Telemetrie-Sendern ausgestattet, um wichtige Daten über Flug- oder Paarungsverhalten zu gewinnen und sie besser schützen zu können. 16 Länder bereisten Österreichs besenderte Weitstreckenflieger bisher – von Kroatien und Weißrussland über Dänemark und Rumänien bis Bosnien und Lettland. Ganze 1.137 Kilometer Luftlinie legte der heimische Seeadler Orania auf seiner Reise von seinem Horst in den Donau-Auen bis nach Lettland zurück. Nordische Seeadler wiederum schlagen aufgrund der klirrenden Kälte ihr Winterquartier auch in Österreich auf – rekordverdächtige 2.230 Kilometer entfernt von seinem Brutgebiet an der russischen Weißmeerküste wurde ein Exemplar im Weinviertel nachgewiesen.
Zu den wichtigsten Brutgebieten zählen das Waldviertel, der Nationalpark Donau-Auen, die Tullnerfelder Donau-Auen, die March-Thaya-Auen sowie das Nordburgenland – darunter viele Natura2000-Gebiete. „Intakte und ruhige Naturlandschaften bieten die besten Voraussetzung für scheue Seeadler. Dort finden sie Fische und Wasservögel für den Nahrungserwerb. Die mächtigen Horstbäume in abgeschiedenen Waldbereichen sind optimal für die Brut. Von dort erobern die Jungvögel weite Teile Europas, bevor sie oft zur eigenen Brut in die Heimat zurückkehren“, erklärte Christian Pichler, Projektleiter des WWF-Schutzprogramms.
Trotz der sich gut entwickelnden Population ist das Überleben der Seeadler in Österreich noch nicht dauerhaft gesichert, warnte der WWF. Verbotene Abschüsse und Vergiftungen würden demnach die größte Bedrohung für den Bestand darstellen. Kollisionen mit Fahrzeugen, Stromleitungen und Windkraftanlagen seien ebenfalls ein Problem. „An der konsequenten Weiterführung der Schutzmaßnahmen in Österreich und unseren Nachbarstaaten führt kein Weg vorbei, wollen wir dieses Kapitel Naturschutzgeschichte langfristig erfolgreich schreiben“, sagte Pichler.
„Es ist ein Privileg, das Projekt Seeadler seit Beginn, also seit 20 Jahren, begleiten zu dürfen, sagt auch Enrica Seltenhammer, der Abteilung für Nationalparks, Natur- und Artenschutz im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). „Seitens des Bundes wurde dieses Projekt stets unterstützt. Und es wurde eine echte Erfolgsgeschichte. Sowohl die Unterschutzstellung und vor allem auch das Verbot von DDT waren für den Seeadler und viele andere Greifvögel die Voraussetzung für eine Bestandserholung. Auf diese gesetzlichen Regelungen aufbauend konnten die verschiedenen Maßnahmen, die im Seeadler-Projekt ergriffen wurden, erfolgreich wirken.“ Trotz der positiven Entwicklung gäbe es auch in Österreich nach wie vor Problemfelder wie etwa illegale Eingriffe durch ausgelegte Giftköder oder Bleivergiftungen durch Aufnahme von Partikeln aus Jagdgeschossen. „Mit beiden Themen muss man sich dringend weiter beschäftigen, und ich hoffe, einen Beitrag leisten zu können. Und ganz wichtig: Einen Seeadler mit über zwei Metern Flügelspannweite bei der Jagd zu sehen, fasziniert – das vergisst man so schnell nicht!“