Kategorie Innovation & Technologie - 19. Oktober 2022

Wärmende Waben: Ökologische Milbenabwehr zum Schutz von Bienenvölkern

© youbee

Zur Erinnerung: Die Rolle der Bienen für die Pflanzenbestäubung – und damit die Produktion vieler unserer Lebensmittel – kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Etwa ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion beruht direkt oder indirekt auf der Bestäubung durch Insekten.

Eine Varroa-Milbe an einer Bienenlarve in der Wabe © APA/dpa/Wolfgang Kumm

Bisher als wirksam bei der Behandlung haben sich unterschiedliche chemische Verbindungen erwiesen, die in den Bienenstock geträufelt oder darin verdampft werden. Allerdings ist diese Herangehensweise für die Bienen und ihre Brut selbst oft tödlich – gerade für Hobby-Imker:innen werden Zeitpunkt und Konzentration der Säuren zur Herausforderung. Und die Varroa-Milbe wird zunehmend resistent gegen die eingebrachte Chemie.

Heiz-Lösung ohne Nebenwirkungen

„In Europa gibt es rund 12 Millionen Bienenvölker. Bis zu 25 Prozent der Völker fallen dieser Milbe zum Opfer“, so Robert Breinl, Co-Geschäftsführer des steirischen Unternehmens youbee und als Hobby-Imker auch ausgewiesener Bienenkenner gegenüber der futurezone.

Bisher werden die Parasiten primär mit chemischen Mitteln wie Ameisensäure bekämpft. „Das sind zwar organische Säuren, trotzdem sind es Gifte, mit denen Bienen behandelt werden.“ Bei dieser Methode nehmen Imker:innen automatisch in Kauf, dass nicht nur die Milbe, sondern auch ein gewisser Anteil an Bienen stirbt.

 

Breinl zufolge sei seit den frühen 80er-Jahren aber auch bekannt, dass es eine Temperaturspanne gibt, bei der die Varroa-Milben sterben, die Bienen aber nicht. Youbees behutsamere Methode ist die Hyperthermie: Durch eine Wärmebehandlung des Stocks in einem Bereich zwischen 39 und 42 °C wird allein der Parasit wirksam geschädigt, die Honigbiene bleibt dabei unbeschadet. Allerdings war bisher eine exakte Temperaturregulierung von außen sehr schwierig zu gestalten, für die Tiere ist eine Zufuhr warmer Luft ein Stressfaktor. Wir haben das Problem aus technischer Sicht exakter gelöst“, so Hannes Scheiber, Gründer und ebenfalls Geschäftsführer von youbee.

Die vielversprechende Entwicklung von youbee setzt auf die vollautomatische Behandlung der Brutwaben direkt im Bienenstock. Durch eine integrierte Heizschicht wird die Wachsmittelwand schonend und exakt auf eine Temperatur von 42 °C erwärmt. Genau an jener Stelle, an der die Varroa-Nachkommen sitzen und damit schon in der Entwicklung abgetötet werden können. Bis zu 95 Prozent aller Varroa-Milben im Stock werden so eliminiert. „Wir erleichtern den Imkern das Leben und erhöhen die Vitalität der Bienenvölker“, fasst Breinl das Ergebnis zusammen. Im Vergleich zu einer Säurebehandlung entwickele sich das Bienenvolk um über 30 Prozent besser. Ein gesünderes Bienenvolk mit höherem Honigertrag ist das erreichte Ziel.

Kern der patentierten youbee-Lösung ist die PTC-Heizschicht. Bei der Entwicklung spielt der Technik-Background der beiden Gründer im Automotive-Bereich eine entscheidende Rolle. Der PTC-Lack und die elektrischen Leiterbahnen aus Silber werden in einem ausgeklügelten Siebdruckverfahren auf eine Folie aufgebracht. Angeschlossen an eine Stromquelle funktioniert das System vollautomatisch. Je wärmer die PTC-Schicht wird, umso höher wird auch ihr Widerstand. Bei einer Temperatur von 42 °C ist der Widerstand so hoch, dass sich die Wabe nicht weiter erwärmt. Ohne Fühler und Regelmechanismen ist die Brut damit vor zu hohen Temperaturen geschützt. Bei starkem Befall kann die Behandlung einfach und schnell in jedem Brutzeitraum alle zwei Wochen wiederholt werden.

Die optimale Ausnutzung des PTC-Effekts (positive temperature coefficient) für die selbstregelnde Heiztechnik auf kleinstem Raum wurde bereits erfolgreich umgesetzt, drei Patente hat sich youbee gesichert, einige 100 Systeme seien bereits im Einsatz, teilte youbee mit, das Interesse vieler [Hobby]Imker:innen an dieser rein biologischen Milbenabwehr sei groß.

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