Kategorie Innovation & Technologie - 19. Juni 2020
Bio-Klebstoff: Forschende nehmen Schneckenschleim unter die Lupe
Ein Team um eine Innsbrucker Forscherin hat den Klebstoff einer Schnecke erforscht. Die Ergebnisse könnten die Entwicklung eines Klebers voranbringen, der völlig neue Möglichkeiten bietet und vor allem im medizinischen Bereich seine Stärken ausspielt.
Wie es die Gemeine Napfschnecke (Patella vulgata) schafft, sich fest an Felsen an Meeresküsten anzuhaften, es aber auch fertig bringt, sich flexibel loszueisen, um zu fressen, erstaunt Wissenschafter schon seit über einem Jahrhundert. Ein Team um die österreichische Forscherin Birgit Lengerer hat die Zusammensetzung des klebrigen Schleims analysiert, wie es im Fachblatt „Open Biology“ berichtet. In Innsbruck forscht Lengerer im Rahmen eines Schrödinger Stipendiums des Wissenschaftsfonds (FWF), Österreichs zentraler Einrichtung zur Förderung der Grundlagenforschung.
Napfschnecken können sich bei hohem Wellengang so stark an Felsen befestigen, dass diese bewegt werden können, wenn man sie am robusten, an eine Muschel erinnernden Schneckenhaus anhebt, wie ein Wissenschafter in der Arbeit demonstriert. Trotzdem sind die Tiere in ihren Fressphasen durchaus mobil. Auf der Suche nach Algen und Mikroorganismen können sie rund eineinhalb Meter zurücklegen, heißt es in einer Aussendung der Universität Innsbruck.
Die Forscher um Lengerer, die am Innsbrucker Institut für Zoologie und der Universität Mons (Belgien) arbeitet, haben nun in ihren Analysen gezeigt, dass die Tiere diesen Wechsel nicht etwa vorrangig mittels eines Saugnapf-Prinzips hinbekommen, sondern einen stark klebrigen Schleim aus Proteinen und Kohlehydraten dazu nutzen. Diesen produzieren die Schnecken an ihrer Unterseite. 171 Proteinsequenzen umfasst die Liste der Komponenten, die diese komplexe Substanz ausmacht, berichtet das Team. Manche Zutaten in dieser Mixtur waren demnach bereits von anderen maritimen Spezies wie Seesternen, Seeigeln, oder Seeanemonen bekannt, die sich jedoch permanent an Oberflächen anhaften.
Mechanismus noch nicht völlig geklärt
Ihre interessante Flexibilität bei Kleben könnte die Napfschnecke besonderen Enzymen zu verdanken haben, die Proteine wiederum abbauen können. Das und spezielle Zuckerverbindungen dürften die Tiere dazu befähigen, sich bei Bedarf wieder abzukoppeln, und sich auf dem sonst bombenfest haltenden Schleim auch fortzubewegen. Der genaue Mechanismus hinter der erstaunlichen Fähigkeit sei allerdings noch nicht völlig geklärt, betonen die Forscher in ihrer Arbeit.
Trotzdem seien derartige „marine Kleber“ auch aus technologischer Sicht interessant: Sie sind nämlich äußerst stark, haften schnell und nahezu überall an und sind dabei biologisch abbaubar und ungiftig. Da diese natürlichen Verbindungen handelsüblichen Klebern vielfach deutlich überlegen sind, denkt man über die Entwicklung von derartigen Bio-Klebstoffen nach. „Mit der Analyse des Napfschneckenklebstoffes ist ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung getan“, so Lengerer. Möglichkeiten zum Einsatz reichen demnach von der Anwendung im Haushalt bis zur Industrie oder Biomedizin.
apa/red
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