Kategorie Innovation & Technologie - 19. September 2022

Constructive Alps Awards: Ökologisches Bauen unterm Alpenbogen

Zum sechsten Mal wurde der Architekturpreis «Constructive Alps» für nachhaltiges Sanieren und Bauen in den Alpen verliehen. Von rund 240 eingereichten Projekten aus sieben Alpenländern zeichnet die Jury elf herausragende Bauten aus. Diese schonen die Ressource Boden, setzen Holz als Baustoff ein und produzieren den Strom gleich selber. Ein österreichisches Projekt konnte gleich zwei Preise einheimsen.

Die Architektinnen und Architekten der ausgezeichneten Gebäude haben den natürlichen Ressourcen und den Bautraditionen des Alpenraumes besonders Sorge getragen. Die Bauten zeigen exemplarisch, wie Architektur Ästhetik und Nachhaltigkeit zusammenbringen kann. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Ressource Boden möglichst schonen, nachwachsende Baumaterialien einsetzen und den Bedarf an Energie möglichst tief halten und selber decken. Die ersten drei Ränge und damit die Preissumme von 50.000 Euro teilen sich in der diesjährigen Ausgabe von Constructive Alps vier Projekte.

Wettbewerbsbeitrag aus Straß im Attergau: Die Auferstehungskapelle. © Albrecht Schnabel

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler gratulierte allen Prämierten: „Diese Projekte machen deutlich, dass sich klimabewusstes und innovatives Bauen und Sanieren wunderbar in die Natur- und Kulturlandschaft der Alpen integrieren lässt und zeigen wie wichtig die Alpenkonvention für einen klimaneutralen und klimaresilient Alpenbogen für die Erreichung unserer Klimaziele ist.“

Den ersten Preis gewinnt das 2020 erbaute Schulhaus Feld in Azmoos (SG). Es ersetzt das alte Schulhaus, in dem achtzig Kinder den Unterricht besucht hatten. Im grösseren Neubau, der auf gleich grossen Fläche steht, gibt es nun Platz für zweihundert Schülerinnen und Schüler. Der Holzbau überzeugt, weil er sozial und ökologisch nachhaltig ist, indem er unter anderem Begegnungsräume schafft und mit Photovoltaik auf dem Dach seinen Energiebedarf deckt.

 

Der zweite Preis ging dieses Jahr an zwei Projekte: Der Firmenhauptsitz des Heizungsspezialisten ÖkoFEN France in Saint-Baldoph, nahe bei Chambéry, sowie die Wohnüberbauung Ghiringhelli in Bellinzona (TI). Der Bau von ÖkoFEN France ist von der tragenden Konstruktion bis zur Gebäudehülle aus Massivholz ausgeführt. Das Projektteam setzte städtebauliche Akzente am Übergang der Industriezone zum angrenzenden Feuchtgebiet, indem es beispielsweise einen baumbestandenen Innenhof angelegt hat.

 

Die Wohnüberbauung Ghiringhelli ist ebenfalls aus Holz konstruiert und verbindet ökologische Anliegen mit einer qualitätsvollen Innenentwicklung sowie einem erschwinglichen Wohnraumangebot. Traditionelle Laubengänge schaffen ausserdem attraktive Begegnungsräume.

 

Den dritten Preis vergibt die Jury an die sanierte Falkenhütte in Hinterriss im österreichischen Karwendel-Gebirge. Das Berggasthaus gliedert sich zurückhaltend in die hochalpine Landschaft ein. Das Architektenteam hat bei der Generalsanierung der Falkenhütte „die Chance genutzt, eine historisch, künstlerisch und kulturell bedeutende und gleichzeitig eine der höchsten Schutzhütten des Alpenvereins im Karwendelgebirge in seiner ursprünglichen Gestaltung herauszuarbeiten und zu präsentieren“, so die Jury in ihrer Begründung.

 

Durch die notwendige technische, bauliche und räumliche Neustrukturierung des Standortes wurde es möglich, die Urhütte mit ihren wieder ins Zentrum des Standortes zu rücken. Die neuen Baukörper fügen sich zurückhaltend in die hochalpine Landschaft ein und ordnen sich dem Denkmal unter. Das Architektenteam hat die bestehenden Gebäudeteile aus den 1920er- und 1960er-Jahren erhalten und die neuen Anbauten darauf abgestimmt. So ergeben Innen wie Außen, durch die jeweils zeitgemäße Ausstattung und die Verwendung von heimischen Materialien (Stein und Holz) ein harmonisches Ganzes und orientieren sich bewusst an der Tradition des ländlichen Bauens. Die Falkenhütte ist im Wettbewerb ausserdem der zum zweiten Mal gekürte Publikumsfavorit.

Die Jury verlieh zusätzlich Anerkennungen an folgende Projekte:

  • Studierendenwohnheim Ernas Haus, Dornbirn (AT)
  • Wohnbau Friedrich-Inhauser-Strasse (ZeCaRe II), Salzburg (AT)
  • Bürohaus Küng, Alpnach (OW)
  • Sanierung und Erweiterung Mehrzweckgebäude, Fläsch (GR)
  • Schulraumprovisorium Matador, Vaduz (FL)
  • Alpweide Petosan, La Thuile (IT)
  • Haus Šenk, Zgornje Jezersko (SLO)

Wie wichtig Constructive Alps für einen nachhaltigen und lebenswerten Alpenraum ist, hob auch die Liechtensteiner Umweltministerin Sabine Monauni im Interview im Rahmen der Begleitausstellung des Alpinen Museums hervor: „Wir hier in den Alpen sind besonders betroffen vom Klimawandel. Ich denke, dass wir gerade mit Constructive Alps eine Vorzeigeregion sein können, was Bauen mit der Natur anbelangt. Dieser Preis hat deshalb mit der Zeit wirklich eine grosse Bedeutung erlangt.“

Der Architekturwettbewerb fügt sich auch in die Pläne des Alpinen Klimabeirates der Alpenkonvention, der 2016 bei der XIV. Alpenkonferenz ins Leben gerufen wurde, um gemeinsam mit Expert:innen einen Fahrplan zu einem klimaneutralen und klimaresilienten Alpenraum 2050 zu erstellen. Dieser Fahrplan, genannt Klimaaktionsplan 2.0, der in den Folgejahren entwickelt wurde, gibt spezifische Umsetzungspfade und Maßnahmen in zehn Sektoren vor, die einen entscheidenden Beitrag zu einem klimaneutralen und klimaresilienten Alpenraum 2050 liefern. Constructive Alps steht so auch für die alpenweite Zusammenarbeit mit verschiedenen Ministerien, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie Nichtregierungsorganisationen.

Die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels sind in den Alpen unverkennbar: Das immer schneller voranschreitende Abschmelzen der Gletscher, die Zunahme von Muren und Bergstürzen, im Winter das Ausbleiben von Schneefällen und Frosttagen, die sogenannte Schneesicherheit ist längst in Frage gestellt. Mit den entsprechenden ökologischen und ökonomischen Folgen sind selbst monumentale Hochgebirge und die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gegenden nicht vor der Klimakrise gefeit. 2009 hatten die Staaten der Alpenkonvention – Slowenien, Österreich, Deutschland, Liechtenstein, Schweiz, Italien, Monaco und Frankreich – beschlossen, die Alpen zu einer Modellregion des Klimaschutzes zu entwickeln. Der mit 50.000 Euro dotierte „Internationale Preis für nachhaltiges Sanieren und Bauen in den Alpen“ versteht sich als Beitrag zu diesem Klimaplan. Er zeichnet das Dauerhafte und Intelligente aus – und lässt auch die Schönheit nicht außen vor.

»Constructive Alps«: 31 Nominierungen bilden heuer die Spitze des alpinen Architekturwettbewerbs zum klimabewussten Bauen