29. Juni 2023

EU gibt grünes Licht für Importregeln zum Regenwaldschutz

Einfuhren nur dann, wenn dafür seit 2020 kein Wald gerodet wurde – Unternehmen müssen Sorgfaltserklärung abgeben

Produkte wie Kaffee, Holz und Palmöl dürfen künftig nur noch in der EU verkauft werden, wenn dafür nach 2020 keine Wälder gerodet wurden. Eine entsprechende EU-Verordnung, die von den EU-Staaten am 16. Mai im europäischen Rat angenommen wurde, tritt mit heutigem Tag in Kraft. Damit soll die Abholzung des Regenwalds zum Beispiel im südamerikanischen Amazonasgebiet deutlich reduziert werden.

Nach Angaben des EU-Parlaments gehen die Rodungen zwischen 1990 und 2020 zu zehn Prozent auf den Konsum von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der EU zurück. Die Hauptursache für die weltweite Entwaldung und Waldschädigung sehe man eindeutig bei der Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen.

Österreich und das Klimaschutzministerium (BMK) unterstützten diese Verordnung und ihre Ziele – das Vermindern des globalen Waldverlustes und Waldschädigung. „Wälder sind unser aller Lebensversicherung und es ist unsere gemeinsame Verantwortung, sie zu erhalten und zu schützen. Ein intakter Wald ist ein wertvoller CO2-Speicher und damit essentiell im Kampf gegen die Klimakrise. Wälder filtern die Luft und liefern uns Sauerstoff, Waldböden speichern und filtern Niederschläge und sorgen somit für Trinkwasser. Auch in Europa tragen wir leider aktuell noch dazu bei, dass die Wälder in Afrika, Südamerika und Südostasien für unseren Konsum abgeholzt werden. Mit der EU Verordnung gegen Entwaldung ändern wir das“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Verbindliche Sorgfaltspflichten

Konkret müssen Unternehmen künftig eine Sorgfaltserklärung abgeben, dass für ihr Produkt nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Ziel dieser Initiative ist es, gegen die durch den Verbrauch und die Erzeugung in der EU verursachte Entwaldung und Waldschädigung vorzugehen. Dies wiederum dürfte zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen, Sicherung terrestrischer Kohlenstoffspeicher und des weltweiten Verlusts an biologischer Vielfalt führen. Zudem werden in der Verordnung auch der Schutz der Menschenrechte insbesondere der indigenen Völker im Zusammenhang mit der Entwaldung berücksichtigt.

Die Verordnung legt verbindliche Sorgfaltspflichten (Due Diligence) für alle Marktteilnehmenden und Händler:innen fest, die folgenden Waren auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, bereitstellen oder ausführen: Palmöl, Rinder, Holz, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Soja. Die Vorschriften gelten auch für eine Reihe von Folgeprodukten wie Schokolade, Möbel, bedrucktes Papier und ausgewählte Derivate auf Palmölbasis (die z. B. als Bestandteile von Körperpflegeprodukten verwendet werden).

Alle Marktteilnehmenden müssen die von ihnen verkauften Waren bis zur Parzelle der Produktion mittels Koordinaten lückenlos zurückverfolgen können. Gleichzeitig zielen die neuen Vorschriften darauf ab, Doppelverpflichtungen zu vermeiden und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Behörden zu verringern. Außerdem besteht für kleinere Marktteilnehmende die Möglichkeit, sich bei der Erstellung von Sorgfaltserklärungen auf größere Marktteilnehmer zu verlassen.

Gefährdete Öko-Hotspots

Wer sich nicht an die Vorschriften hält, muss mit hohen Strafen von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes in der EU rechnen. Die Regeln gelten auch für weiterverarbeitete Produkte wie Schokolade, bedrucktes Papier oder Möbel. Strafen für Regelverstöße sollen von den Mitgliedstaaten auf ihre Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit und Abschreckung hin überprüft werden. Die neuen Sorgfaltspflichten müssen größere Unternehmen ab Dezember 2024 und kleinere ab Juni 2025 einhalten.

Über diese Initiative soll der Verbrauch von Erzeugnissen minimiert werden, die aus Lieferketten stammen, die mit Entwaldung und Waldschädigung im Zusammenhang stehen. Außerdem sollen die Nachfrage nach und der Handel mit „entwaldungsfreien“ Rohstoffen und Erzeugnissen in der EU gefördert werden.

default

Zum Hintergrund: Der globale Waldbestand ist für die Biodiversität, das Klimasystem und uns Menschen von enormer Bedeutung. Knapp ein Drittel der Erde ist mit Wald bedeckt, zwei Drittel der Pflanzen- und Artenvielfalt sind direkt von ihnen abhängig, 1,6 Milliarden Menschen benötigen ihn als Lebensgrundlage, sie speichern etwa die Hälfte des globalen Kohlenstoffes – in dieser Vegetation bis zu 50 mal mehr als in anderen Ökosystemen.

Eine besondere Rolle haben tropische Ökosysteme, obwohl sie nur sieben Prozent der Erdoberfläche bedecken sind sie Heimat von 50 Prozent der globalen Artenvielfalt und noch immer kultureller Ankerpunkt vieler indigenen Gemeinden. Zudem sind Wälder eine Ressource medizinischer Wirkstoffe, 25 Prozent der derzeit zugelassenen Wirkstoffe sind pflanzlichen Ursprungs, obwohl wahrscheinlich erst knapp ein Prozent der tropischen Pflanzen in den Regenwäldern auf solche untersucht wurden.

Schädliches Konsummuster

Zahlreiche Studien sehen einen direkten Zusammenhang von der Zerstörung dieser Urwälder und der Wahrscheinlichkeit von Infektionen bei Wildtieren mit potenziell auf Menschen übertragbaren Krankheiten, sogenannten Zoonosen. Besonders Augenmerk gilt auch dem Amazonas, dem größten zusammenhängenden tropischen Regenwald der Erde. Durch seine Ausdehnung schafft er sein eigenes humides Klima, das in einem sensiblen Gleichgewicht von Bäumen und Niederschlägen existiert. Durch die zunehmende Abholzung gehört auch dieser Naturraum zu den fragilen Kippunkten im globalen Klimasystem.

Diese Entwicklung zeigt den enormen Handlungsbedarf, der auch von globaler Bedeutung ist. Laut einem Bericht der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, über den Zustand der Wälder der Welt, sind seit 1990 420 Millionen Hektar Wald – eine Fläche so groß wie die EU – verloren gegangen. Der Nettoverlust, also die Flächen die nicht wieder aufgeforstet wurden betragen 178 Millionen Hektar. Nach einem Hoch der Entwaldung in den 1990er und frühen 2000ern, einem zurückgehenden Wert in der letzten Dekade, ist die Entwaldung nun wieder auf Rekordniveau. Eindrücklich zeigt dies der neueste Wert aus Brasilien, hier wurde im Amazonas im Jänner 2022 ein Abholzrekord von 360 Quadratkilometer erreicht, das sind nur 50 km² weniger als die Fläche Wiens.

Auch der Zusammenhang mit freigesetztem Kohlenstoff ist belegt: Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (GIEC) schätzt dass 23 Prozent der gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen (2007-2016) aus der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und anderen Landnutzungen stammen. Etwa elf Prozent der Emissionen stammen aus der Abholzung von Wäldern und der Umwandlung von natürlichen Ökosystemen. Etwa 80 Prozent der Entwaldung fällt derzeit auf die Ausweitung jener landwirtschaftlichen Nutzflächen, die sich genau um die Rohstoffe wie Rinder, Holz, Palmöl, Sojabohnen, Kakao oder Kaffee dreht, welche die EU-Verordnung nun unter Beobachtung stellt.

Bewiesen sind auch Zusammenhänge von europäischen Konsummustern und der globalen Entwaldung sowie damit einhergehendem Verlust der Artenvielfalt und Beschleunigung der Klimakrise. So werden beispielsweise jährlich 30 bis 40 Millionen Tonnen Soja zum Großteil als Futtermittel in die EU importiert. Damit ist die EU nach China der zweitgrößte Importeur von Sojafuttermitteln.

Weltumwelttag: Vom zähen Ringen für ein Abkommen gegen die Plastiflut