Kategorie Klima- & Umweltschutz - 6. Juli 2022

Grünes Label für Atomkraft: Kritik & Klage aus Österreich nach Taxonomie-Entscheidung des EU-Parlaments

Nach der Entscheidung im EU-Parlament zeigt sich Österreichs Politik entsetzt über die umstrittene Einstufung von Gas und Atomkraft als klimafreundliche Investitionen. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler kündigte rechtliche Schritte an: „Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten bereits intensiv auf diesen Fall vorbereitet und werden unsere Klage im Rahmen der dafür vorgesehenen Frist einreichen.“

Die Taxonomie-Entscheidung ist ein schwerer Rückschlag für den Klimaschutz der EU. Österreich wird nach Inkrafttreten des „Greenwashing-Programms“, die angekündigte & bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen. © apa/dpa/Armin Weigel

Die Entscheidung zur sogenannten Taxonomie-Verordnung werde dem Green Deal und den europäischen Bemühungen für eine gute und klimafreundliche Zukunft nicht gerecht, so Gewessler. „2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent unserer Erde sein. Die heutige Entscheidung ist daher weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert, gefährdet unsere Zukunft und ist mehr als verantwortungslos. Österreich wird, sobald dieses Greenwashing-Programm in Kraft tritt, die bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV beim Europäischen Gerichtshof einbringen.“

Luxemburg habe bereits zugesagt, sich an einer Klage zu beteiligen. „Wir werden die nächsten Wochen und Monate weiter dazu nützen, weitere Verbündete zu gewinnen.“

Die EU-Taxonomie-Verordnung, als wesentlicher Bestandteil des europäischen Green Deals und des Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen, soll zu mehr Transparenz führen und eindeutig definieren, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig klassifiziert werden können und so zur Erreichung der EU-Klimaziele beitragen. So soll auch Greenwashing verhindert werden. Denn Unternehmen können ihre Produkte nicht als grün bezeichnen, wenn sie nicht die Anforderungen erfüllen. Das EU Parlament hat mit 328 zu 278 Stimmen den Vorschlag der EU Kommission angenommen.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigte sich ebenfalls entsetzt: „Das ist ein skandalöses Ergebnis, gegen das wir vor Gericht ankämpfen werden. Die Gas- und Atomlobby wird sich nicht durchsetzen“, sagte Lisa Panhuber, Sprecherin bei Greenpeace Österreich. Gas und Atomkraft seien niemals grün.

Auch WWF prüft laut eigenen Angaben eine Klage. „Das ist ein herber Rückschlag für die europäische Klimapolitik“, kritisierte Jakob Mayr, Experte für nachhaltige Finanzen bei WWF Österreich. „Zusätzliche Milliarden werden in klimaschädliche Industrien fließen und uns damit in eine fatale Sackgasse bringen. Klimaziele und Energie-Unabhängigkeit geraten in weite Ferne – dieses Gesetz ist legalisiertes Greenwashing!“

Erst vergangene Woche hatten internationale Wissenschaftler:innen und Expert:innen aus dem Bereich Kernenergie – unter federführender Beteiligung der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien – nachdrücklich davor gewarnt, Atomkraft als nachhaltige Investitionen einzustufen. In einem Brief an das EU-Parlament argumentieren sie, warum Investitionen in die Nuklearenergie ökonomisch nicht sinnvoll und darüber hinaus gefährlich seien und zudem nicht geeignet, das Klimaproblem zu lösen.

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