Kategorie Innovation & Technologie - 2. Februar 2022
»EU-Taxonomie verkommt zum Greenwashing-Programm für Atomkraft«
Die Wogen rund um den umstrittenen Taxonomie-Vorschlag der EU-Kommission, Atomenergie und fossiles Gas künftig als grüne Investitionen einzustufen, gehen seit einiger Zeit hoch. Scharfe Kritik kommt nach wie vor aus Österreich.
Am 31. Dezember wurde von der EU-Kommission in einem etwas heimlichen Manöver kurz vor Mitternacht ein Entwurf des delegierten Rechtsakts zur EU-Taxonomie an die Mitgliedsstaaten verschickt. Die Pläne der Kommission darin: Investitionen für Strom aus Atomenergie und fossilem Erdgas als nachhaltig zu erklären. Ein Schritt der scharfe Kritik nach sich zog – nicht nur aus Österreich.
Mit der Neuordnung der EU-Taxonomie soll die Atomkraft durch die Hintertür einen grünen Stempel erhalten. Österreich hat dieses Greenwashing der Kernkraft von Anbeginn entschieden abgelehnt. Heute hat die EU-Kommission nun den delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomie veröffentlicht. Im Vergleich zum Entwurf wurden darin nur noch weitere – wenn auch geringfügige – Verschlechterungen vorgenommen.
„Die EU-Kommission hat heute ihr Greenwashing-Programm für die Atomenergie und für fossiles Erdgas beschlossen. Intransparent und gegen die Bedenken von vielen Expert:innen und auch der Mitgliedsstaaten. Diese Entscheidung ist falsch. Denn die Atomkraft ist kein Beitrag zum Klimaschutz“, äußerte sich Klimaschutzministerin Leonore Gewessler abermals enttäuscht von der Entscheidung der Kommission.
PK: Entscheidung zur EU-Taxonomie-Verordnung https://t.co/aBGcBR6eGB
— Klimaschutzministerium (@BMKlimaschutz) February 2, 2022
Die Jurist:innen des Klimaschutzministeriums werden das Papier nun genau prüfen. In einem nächsten Schritt müssen der Rat und das EU-Parlament dem Rechtsakt zustimmen. Zumindest im Rat gilt diese Zustimmung als sehr wahrscheinlich. Dann würde der Rechtsakt – nach Ablauf einer vier monatigen Frist, die heute zu laufen beginnt – in Kraft treten.
Sollte das passieren, wird Österreich rechtlich dagegen vorgehen. Und zwar mit einer Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof. Aus österreichischer Sicht entspricht der Rechtsakt nicht den Grundlagen der Taxonomieverordnung und die Kommission überschreite damit klar ihre Kompetenzen.
„Das heute vorgelegte Papier beinhaltet nur noch weitere Verschlechterung. Die Kommission riskiert damit nicht nur die Zerstörung unserer Umwelt, sondern auch menschliches Leid“, so Gewessler weiter. Atomkraft hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, welche Gefahren von ihr ausgehen, „denken wir nur an Tschernobyl, Fukushima oder an die ungelöste Frage des Atommülls“.
Europa soll 2050 der erste klimaneutrale Kontinent unserer Erde werden. Die heutige Entscheidung der EU-Kommission sei aber ein Schritt in die entgegengesetzte Richtung. Sie gefährde unsere Zukunft und ist damit mehr als verantwortungslos. „Österreich wird sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Wir werden deshalb, sobald dieses Greenwashing-Programm in Kraft tritt beim Europäischen Gerichtshof eine Klage dagegen einbringen.“
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich zu Wort und kritiserte die Brüsseler Behörde. „Atomkraft ist weder nachhaltig noch sicher“, betonte Van der Bellen. „Die EU-Kommission setzt mit ihrer heutigen Entscheidung das falsche Signal, auch auf den Kapitalmärkten. Natürlich werden nicht alle Atomkraftwerke in Europa morgen abgestellt werden können. Aber eine Einstufung als Grüne Energie ist ein Anreiz, weiter in diese gefährliche Technologie zu investieren.“ Das ist der falsche Weg. Er sei überzeugt, dass „wir alles tun müssen um für unsere Kinder und Enkelkinder eine lebenswerte Welt zu schaffen. Wir müssen die Klimakrise gemeinsam meistern. Und dabei wird Technologie ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg für ein gutes Leben der kommenden Generationen sein. Aber sicher nicht Atomenergie.“
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