Kategorie Klima- & Umweltschutz - 16. März 2021
Europa erlebt schlimmste Trockenperiode der vergangenen 2.100 Jahre
Sommerdürren in Europa seit 2015 weitaus gravierender als in 2.100 Jahren davor
Ernteausfälle, vertrocknete Wälder und trockenfallende Flüsse sind nur drei der viele Folgen von Hitzewellen, mit denen Europa in den vergangenen Jahren immer wieder zu kämpfen hatte. Die Sommerdürren, die Europa seit 2015 erlebt hat, waren weitaus gravierender als in den rund 2.100 Jahren davor. Das ergab eine internationale Studie mit Beteiligung der Schweizer Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), die im Fachblatt Nature Geoscience veröffentlicht wurde.
Die Wissenschafter nutzten ein spezifisches Verfahren zur Analyse von Baumringen und erstellten so einen gewaltigen Datensatz, der die hydroklimatischen Bedingungen in Mitteleuropa von der Römerzeit bis zur Gegenwart abbildet. Die außergewöhnliche Trockenperiode ist nach Ansicht der Forscher auf den von Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen.
Europa erlebte etwa in den Jahren 2003, 2015 und 2018 extreme sommerliche Hitzewellen und Dürren. Die Folgen hatten nicht nur Land- und Forstwirtschaft betroffen, sondern auch die Zahl der Hitzetoten nach oben schnellen lassen, schreiben die Wissenschafter.
„Wir sind uns alle der Häufung von außergewöhnlich heißen und trockenen Sommern bewusst, die wir in den letzten Jahren hatten“, fasst Ulf Büntgen von der Universität von Cambridge, Erstautor der Studie, zusammen. „Aber wir brauchten präzise Rekonstruktionen der historischen Bedingungen, um zu sehen, wie diese jüngsten Extreme im Vergleich zu früheren Jahren ausfallen.“
Sprechende Baumringe
Für diese Einordnung nahmen Büntgen und seine Kollegen mehr als 27.000 Messungen an Baumringen von 147 Eichen vor, die einen Zeitraum von 2.100 Jahren (75 v. Chr. – 2018) abdeckten. Die Proben stammten unter anderem aus archäologischen Überresten und historischem Baumaterial, aber auch von lebenden Bäumen aus der heutigen Tschechischen Republik und Teilen des südöstlichen Bayerns.
Aus jedem der Baumringe extrahierten und analysierten die Forscher dann die stabilen Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope. Während sich normale Baumring-Messungen auf Ringbreite und Holzdichte beschränken, spiegeln die hier untersuchten stabilen Isotope die physikalischen Bedingungen und die Reaktionen der Bäume darauf wider.
„Die Kohlenstoffwerte hängen von der fotosynthetischen Aktivität ab, die Sauerstoffwerte werden durch das Quellwasser beeinflusst. Zusammen korrelieren sie eng mit den Bedingungen der Wachstumsperiode“, führt Koautor Paolo Cherubini von der WSL aus. Auf diese Weise ergäben die stabilen Isotope der Jahresringe „ein viel genaueres Archiv, um die Hydroklimabedingungen in gemäßigten Gebieten zu rekonstruieren, wo herkömmliche Studien mit Jahresringen oft versagen“, ergänzt Jan Esper von der Universität Mainz.
In der Rekonstruktion zeigten die Baumring-Isotopdaten, dass es in Europa zum einen sehr feuchte Sommer gab, so etwa 200, 720 und 1100 n. Chr., aber auch sehr trockene Sommer wie in den Jahren 40, 590, 950 und 1510 n. Chr. Insgesamt sei der Kontinent in den vergangenen zwei Jahrtausenden allmählich immer trockener geworden.
Klimawandel: Österreichs Wälder leiden unter Hitze- & Trockenstress
Die Proben aus den Jahren 2015 bis 2018 offenbarten aber zudem, dass die Dürrebedingungen der vergangenen Sommer weitaus gravierender waren als in den 2.100 Jahren zuvor. „Nach Jahrhunderten eines langsamen, signifikanten Rückgangs haben wir einen drastischen Einbruch erlebt, was besonders für die Land- und Forstwirtschaft alarmierend ist“, kommentiert Mitautor Mirek Trnka. „Das beispiellose Waldsterben in weiten Teilen Mitteleuropas bestätigt unsere Ergebnisse.“
Die Forscher führen die beobachtete Häufung der ungewöhnlich trockenen Sommer auf die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung und der damit verbundenen Veränderungen der Position des Polarjetstreams zurück. Dieser gehört zu den beiden großen Windbändern, die das Temperaturgefälle zwischen den Polen und dem Äquator ausgleichen und großen Einfluss auf unser Wetter ausüben.
Klimawandel verändert auch Flüsse weltweit
Von der Klimakrise stark betroffen sind auch Flüsse. Schweizer Forschende haben die Flusswasserstände an mehr als 7.000 Messstationen untersucht, dafür erstmals globale Messdaten zusammengeführt und mit Klimamodellen abgeglichen. Das Ergebnis: Die Abflussmengen haben sich oft stark verändert.
Dass der Klimawandel einen Einfluss auf den Wasserhaushalt der Erde hat, ist hinlänglich bekannt. Es kann je nach Region zu mehr Überschwemmungen und Dürren kommen und die Wassermengen in Flüssen können sich verändern. Und das haben sie in den letzten Jahrzehnten, gab nun ein internationales Forscherteam aus zwölf verschiedenen Ländern unter Leitung der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) bekannt. Die Forschenden haben die Abflussmengen von Flüssen unter die Lupe genommen. Diese gelten als ein wichtiger Indikator für die Wasserressourcen, die auf der Welt zur Verfügung stehen. Die Studie wurde erst kürzlich im Fachmagazin Science veröffentlicht.
Für ihre Untersuchung haben die Forschenden erstmals konkrete globale Messdaten herangezogen. Sie stammten von 7.250 Abfluss-Messstationen weltweit. Die Daten der einzelnen Messstationen wurden nicht isoliert betrachtet, sondern zu größeren, subkontinentalen Regionen zusammengefasst. Nur so ließe sich der Einfluss des Klimawandels in den Daten erkennen, sagen die Forscher. Das Ergebnis: Wie viel Wasser Flüsse führen, hat sich zwischen 1971 und 2010 stark verändert. Doch das Wasser ist ungleich verteilt: Während manche Regionen wie etwa der Mittelmeerraum oder der Nordosten Brasiliens trockener geworden sind, nahmen die Wassermengen in anderen Weltregionen zu, zum Beispiel in Skandinavien.
Die Forscher gingen den Veränderungen mit Computersimulationen auf den Grund. Dabei glichen sie globale hydrologische Modelle mit beobachteten Klimadaten aus dem Untersuchungszeitraum (1971 bis 2010) ab. Was dabei herauskam, passte mit der Analyse der Flussmessdaten zusammen und gab ein schlüssiges Ergebnis.
Als die Forscher bei der Simulation auch Veränderungen durch Menschenhand einrechneten, änderte sich das Ergebnis nicht: Laut Gudmundsson schloss das Forscher-Team daraus, dass „Veränderungen im Wasser- und Landmanagement offenbar nicht die Ursache für die globalen Veränderungen in Flüssen sind.“ Gewässermanagement und Landnutzung können lokal durchaus zu großen Schwankungen der Abflüsse führen, den Forschern ging es aber um den globalen Blick:
Um ihre Berechnungen zu überprüfen, rechneten die Forscher mit Simulationen von Klimamodellen. Diese gibt es in zwei Varianten: einmal mit der Variable „menschengemachte Treibhausgase“, einmal ohne. Nur, wenn die Treibhausgase eingerechnet wurden, stimmte die Simulation mit den tatsächlichen Daten überein. Daraus lasse sich ableiten, dass die beobachteten Veränderungen ohne den Klimawandel sehr unwahrscheinlich seien, sagt Lukas Gudmundsson.