Kategorie Innovation & Technologie - 12. Juli 2019

Kälte aus der Sonne? Mit Hitze kann man auch kühlen

Ein EU-Projekt mit Beteiligung des AIT konnte zeigen, dass Abwärme zu Kühlung genutzt werden kann – auch in industriellem Maßstab

Will man eine Speise erwärmen, landet häufig nur ein Bruchteil der investierten Energie im Nahrungsmittel selbst. Der überwiegende Rest heizt dagegen die Umgebung auf. Ähnlich verhält es sich auch in vielen anderen Fällen: Seien es der Heimcomputer, ein riesiger Serverpark, eine heiße Dusche oder das eigene Auto – fast immer geht Energie in Form von unerwünschter Abwärme verloren.

Ein europäisches Forscherteam hatte es sich zur Aufgabe gemacht, diesen unentwegten Verlust zu stoppen und die Abwärme einzusammeln. Angestoßen hat das Projekt IBM Research Zurich, wo man sich die einfache Frage stellte: Lässt sich mit der gewaltigen Abwärme eines großen Rechenzentrums etwas Sinnvolles anfangen? Reicht die Energie vielleicht, um genau dieses Rechenzentrum aktiv zu kühlen?

Um Antworten darauf zu finden, holten die IBM-Forscher Schweizer Material- und Systemspezialisten an Bord, darunter Kollegen des AIT Austrian Institute of Technology, von der ETH Zürich, dem Paul-Scherrer-Institut (PSI) und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA). Ziel war es letztlich, eine Adsorptionswärmepumpe zu entwickeln, die Abwärme in Kühlleistung umwandelt.

Das Funktionsprinzip eines solchen Gerätes ist es, Hitze zu nutzen, um Kühlleistung zu erzeugen: In der Kühlzone der Anlage verdunstet Wasser und sorgt für Kühlung. Der Wasserdampf wird in der warmen Zone der Anlage von einem Absorbermaterial aufgefangen. Wenn das Absorbermaterial gesättigt ist, wird es durch Hitze von außen wieder getrocknet und steht für einen weiteren Kühlzyklus zur Verfügung.

Leistungsfähiger Prototyp

Im vergangenen November endete das Forschungsprojekt THRIVE („Thermally driven adsorption heat pumps for substitution of electricity and fossil fuels“) nach 47 Monaten. Das Ergebnis ist ein Wärmepumpen-Prototyp mit einer Leistung von rund zehn Kilowatt. Dies würde ausreichen, um ein Einfamilienhaus in Südeuropa im Sommer zu klimatisieren.

Adsorptionswärmepumpen sind jedoch nicht nur für die Kühlung einzelner Häuser oder Serverparks nützlich, sondern könnten auch die Effizienz von Fernwärmenetzen verbessern. Einem Team um Matthias Koebel von der Empa gelang es nun, ein neues Absorptionsmaterial zu entwickeln. Die Kühlleistung des neuen Mittels ist mehr als dreimal größer als die des Ausgangsmaterials zu Beginn des Projekts.

Nun möchte der Empa-Forscher auf diesem neu entwickelten Material aufbauen. „Wir haben einen porösen Kohlenstoffschwamm entwickelt, der dank seiner Mikroporen extrem viel Wasser aufnehmen kann und sich daher sehr gut für Adsorptionswärmepumpen eignet“, erläutert Koebel. Das Material wird mittels Pyrolyse aus einem Kunstharz hergestellt. „Mit dieser Methode sind wir in der Lage, das Material auf den gewünschten Einsatzzweck masszuschneidern.“

Vielseitig anwendbar

Dadurch lassen sich Adsorptionswärmepumpen künftig an verschiedene Aufgaben anpassen. So liefert etwa eine Holzpelletheizung höhere Temperaturen als der Abwärmestrom einer Großküche. Um die vorhandene Wärme möglichst effizient in Kühlleistung umzuwandeln, muss das Absorbermaterial der Wärmepumpe spezifisch auf die Wärmequelle und das erwünschte Kälteniveau abgestimmt werden. „Wir definieren das passende Material zuerst anhand von Materialparametern und stellen es dann her“, so Koebel.

Mit dieser Expertise ist das EMPA-Team nun an einem neuen EU-Forschungsprojekt namens „HyCool“ beteiligt, das im Mai 2018 startete und drei Jahre lang laufen wird. Das Ziel: Zwei beteiligte spanische Industriepartner wollen den Kühlbedarf ihrer Produktionsanlagen so weit als möglich mit Hilfe von Abwärme und Solarenergie decken. Dazu wird die Adsorptionswärmepumpe mit einer herkömmlichen Wärmepumpe kombiniert. Es entsteht eine sogenannte Hybrid-Wärmepumpe, die zwar zusätzlich Strom verbraucht, dafür aber extrem flexibel ist.

Kälte aus der Sonne

Die notwendige Wärme für die Kühlung soll auf dem Dach einer spanischen Fabrik bei Barcelona solar erzeugt werden: Ein 400 Quadratmeter großes Feld von Spiegeln bündelt Sonnenlicht auf ein Rohr. In diesem Rohr wird Wasserdampf erzeugt, der über die Adsorptionswärmepumpe die nötige Kühlleistung erbringt. Auf dem gleichen Weg erhält die Fabrik Prozesswärme von bis zu 180 Grad Celsius und Wärme von bis zu 65 Grad Celsius für die Heißwasserversorgung und die Heizung der Fabrikhallen im Winter.

DerStandard/Red

INFObox: Das AIT – Austrian Institute of Technology ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Es ist unter den europäischen Forschungseinrichtungen der Spezialist für die zentralen Infrastrukturthemen der Zukunft. Das BMVIT hält als größter Eigner 50,5 Prozent des AIT, die andere knappe Hälfte halten ein Konsortium aus Firmen der Industrie, Energieversorger, Banken und Versicherungen sowie Interessenvertretungen.