Kategorie Innovation & Technologie - 26. Februar 2017

Röntgenblick ins Innere von Superkondensatoren mit Teilchenbeschleuniger

Leoben – Die verstärkte Nutzung von Wind- und Sonnenkraft hat einen Boom der Forschung hinsichtlich Energiespeichern ausgelöst. Die in Solarzellen oder Windturbinen gewonnene Elektrizität soll auch bei Dunkelheit und Windstille nutzbar sein. Die Speicherung in Akkus hat dabei einen großen Nachteil: lange Ladezeiten. Wenn die Sommersonne auf die Solarzellen knallt, können sie die anfallende Energie unter Umständen nicht schnell genug aufnehmen.

Das Problem lässt sich durch den Einsatz sogenannter Superkondensatoren lösen. Bei ihnen wird die Elektrizität nicht wie bei Akkus in einem langwierigen Prozess in chemische Energie gewandelt, sondern geladene Teilchen werden in hoher Geschwindigkeit in die unzähligen feinen Poren einer Kohlenstoffelektrode eingelagert. Superkondensatoren erreichen zwar nicht die Energiedichte von Akkus, können aber binnen Sekunden geladen werden.

Anwendungsgebiete

Im Zusammenspiel mit Solarzellen und Akkus können die Superkondensatoren also als Zwischenspeicher dienen, die schnell anfallende Energiemengen aufnehmen und dann langsam an einen Akku weitergeben. Weitere Anwendungsgebiete liegen in der Rückgewinnung von Bremsenergie für Bahnen oder in der Energieversorgung von Seilbahngondeln und Elektrobussen. „Superkondensatoren werden Akkus nicht ersetzen können. Sie sind mit ihrer Schnelligkeit und Langlebigkeit aber eine gute Ergänzung“, sagt Oskar Paris, Leiter des Instituts für Physik der Montanuniversität Leoben. „Wir arbeiten unter anderem an der Entwicklung hybrider Ansätze aus Kondensator und Akku, um die Energiedichte zu erhöhen, ohne zu viel an Leistungsdichte zu verlieren.“

Im Rahmen eines Forschungsprojekts zu diesem Thema, das vom Klima- und Energiefonds mit Mitteln von Verkehrs- und Umweltministerium unterstützt und von der Förderagentur FFG abgewickelt wird, haben Paris und Kollegen eine ganz neue Technik entwickelt, um die Vorgänge innerhalb eines Kondensators besser untersuchen und somit optimieren zu können.

Beim Laden eines Superkondensators bewegen sich Ionen, also positiv oder negativ geladene Atome, durch enge, mit Wassermolekülen gefüllte Kohlenstoffporen. Das Porengeflecht ist äußerst dicht und komplex. Pro Gramm Kohlenstoff weist es eine Oberfläche von mehreren Tausend Quadratmetern auf.

Hochintensive Strahlung

Die Forscher der Montanuniversität haben nun eine neue Möglichkeit gefunden, den Ionenfluss in den Poren mit ungeahnter Genauigkeit zu beobachten. Sie schicken Röntgenstrahlung in die Superkondensatoren, deren Wellenlänge klein genug ist, um auch Phänomene im atomaren Bereich auflösen zu können. Allerdings benötigt man dafür viel höhere Intensitäten als etwa für ein Bild eines Knochenbruchs. Am besten eignet sich ein Teilchenbeschleuniger als Strahlenquelle.

Im Rahmen des Forschungsprojekts, an dem auch die TU Graz, die Uni Wien und das Institut für Neue Materialien in Saarbrücken beteiligt sind, wird deshalb die österreichische Beteiligung an der Großforschungsanlage des Synchrotrons Elettra in Triest genutzt. In dem Beschleuniger betreibt die TU Graz eine sogenannte Beamline, die österreichischen Gruppen zur Verfügung steht.

Rechenmodelle

Die Wissenschafter nutzen den Effekt, dass sich die Strahlen an Hindernissen „beugen“, also abgelenkt werden. Die entstehende Streuung an Ionen und Kondensatormaterial wird aufgezeichnet und bildet die Basis eines Simulationsmodells. „Auf diese Art sind wir in der Lage die Positionen der Ionen innerhalb der komplexen Porengeometrie live, während des Lade- und Entladevorgangs, zu verfolgen“, sagt Projektmitarbeiter und Dissertant Christian Prehal, auf dessen Diplomarbeit der Ansatz ursprünglich fußt.

Aus den so entstandenen Rechenmodellen lassen sich Optimierungskriterien zu Speicherfähigkeit, Porengeometrie und dem Ionentransport ableiten. Die Forscher konnten die neuartige Untersuchungsmethode vor kurzem im Fachblatt Nature Energy präsentieren. „Wir haben unter anderem herausgefunden, dass sich die Ionen in möglichst kleinen Poren ,verstecken‘, um sich gegenüber anderen Ionen abzuschirmen. Das tun sie sogar unter energetischem Aufwand und streifen etwa Wassermoleküle ab, die sich an sie geheftet haben“, fasst Paris ein Ergebnis zusammen. (Alois Pumhösel, 26.2.2017)