Kategorie Klima- & Umweltschutz - 11. Dezember 2020

Bergauf für den alpinen Klimaschutz – die XVI. Tagung der Alpenkonferenz

Wie können den Auswirkungen des Klimawandels auf Biodiversität, Wasserressourcen und Naturgefahren im Alpenraum begegnet werden? Die XVI. Tagung der Alpenkonferenz über Strategien zur Umsetzung des Klimaaktionsplan für die Alpen

Die letzte Alpenkonferenz liegt noch keine zwei Jahre zurück, aber die Zeit drängt: der Klimawandel ist auch in den Alpen unverkennbar, mit schmelzenden Gletschern, schwindender Schneesicherheit, der Verschiebung der Klimazonen und entsprechenden ökologischen und ökonomischen Folgen.

Im April 2019 trafen sich die zuständigen Ministerinnen und Minister der neun Vertragsparteien der Alpenkonvention in Innsbruck und vereinbarten eine verstärkte Zusammenarbeit beim Klima- und Bodenschutz in den Alpen. Verabschiedet wurde damals das „Alpine Klimazielsystem 2050“, ein Meilenstein zum Schutz der Alpen, um diese bis 2050 klimaneutral und klimaresilient zu gestalten und sie zu einer Modellregion für den Klimaschutz zu machen. Der Klimaschutz war nun im mehrjährigen Arbeitsprogramm der Alpenkonvention als Top-Priorität verankert.

Mit dem Beschluss des Klimazielsystems endete auch Österreichs zweijähriger Vorsitz in der Alpenkonvention, der Stab wurde an Frankreich weitergereicht, welches nun wiederum die jüngste Alpenkonferenz organisieren durfte. Coronabedingt fand so das erste virtuelle Treffen in der Geschichte der Alpenkonvention statt, bei der die Umweltministerinnen und -minister der Alpenstaaten, Repräsentanten der Europäischen Union und Beobachterorganisationen über die Kernthemen der französischen Präsidentschaft berieten: Klima, Luft, Biodiversität und Wasser in der hochempfindlichen Alpenregion.

Klimaschutz

Gerade bei der Umsetzung des Alpinen Klimazielsystems 2050 läuft die Zeit davon. In den Alpen steigen die Temperaturen fast doppelt so schnell wie im Rest der nördlichen Hemisphäre. Der Temperaturanstieg um fast 2°C seit dem späten 19. Jahrhundert wirkt sich bereits deutlich auf die alpine Umwelt aus: Rückgang der Lebensräume einheimischer Tier- und Pflanzenarten, Veränderungen in der Wasserverfügbarkeit (einschließlich Schnee), Stress für den Wald, erhöhtes Risiko und Unvorhersehbarkeit von Naturgefahren – mit Auswirkungen die deutlich machen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des monumentalen Hochgebirges ganz und gar von der Klimakrise erfasst sind.

Der Verabschiedung eines aktualisierten Klimaaktionsplans (Climate Action Plan 2.0) auf der Alpenkonferenz sollen nun konkrete Schritte folgen, um die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels in den Alpen wo es geht abzufedern. Orientierung dabei bieten die vom Alpinen Klimabeirat (ACB) unter österreichischem Vorsitz skizzierten Umsetzungspfade, die wichtige Prozesse zur Erreichung des Klimazielsystems in Bewegung bringen sollen.

„Mit dem Alpinen Klimazielsystem 2050, das vor etwas mehr als 1,5 Jahren in Innsbruck beschlossen wurde, haben wir eine klare Vision und Ziele für klimaneutrale und klimaresiliente Alpen 2050. Der Klimaaktionsplan 2.0 und die Umsetzungspfade definieren unsere Schritte und geben den Weg vor, damit diese Vision Wirklichkeit wird“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Jetzt gelte es, diesen Weg mit allen Alpenstaaten gemeinsam zu gehen und Ressourcen dafür bereit zu stellen.

#alpineclimate2050: Gemeinsam gegen den Klimawandel in den Alpen

Kräftigen Rückenwind erhielt der Alpine Klimabeirat erneut mit der Annahme des Klimaaktionsplans 2.0. Aktuell wird daran gearbeitet, Akteure zusammenzubringen, die an der Umsetzung dieser Pfade mitwirken. Zudem ist eine wachsende Community mit der Frage beschäftigt, wie der Weg Richtung klimaneutrale und klimaresiliente Alpen aussehen könnte. Der Alpine Klimabeirat wird auch in Zukunft unter Österreichischem Vorsitz an dieser Umsetzung arbeiten.

Luftqualität

Eine besondere Rolle spielte in den vergangenen eineinhalb Jahren die Luftqualität in den Alpen. Ein Alpenzustandsbericht hat dazu ausführlich informiert. Luftreinhaltung war bereits in den Zielen der Alpenkonvention (Artikel 2c) verankert, nun wurde dieses Kriterium nochmals umfassend unter Berücksichtigung aller Verschmutzungsquellen untersucht, zehn vereinbarte Empfehlungen an Entscheidungstragende zu diesem Thema sollen zu einer besseren Grundlage öffentlicher Politik beitragen.

„Saubere Luft ist – wie sauberes Wasser – lebensnotwendig, unersetzbar und ein essenzielles Umweltmedium. Aufgrund der Topographie in den Alpen finden wir besondere Ausbreitungsbedingungen vor. Der 8. Alpenzustandsbericht ist eine beeindruckende Analyse der Anforderungen für den Alpenraum, um hohe Luftqualität zu bewahren und die Luftqualität in belasteten Regionen weiter zu verbessern“, so Gewessler.

Die Schadstoffquellen sind durchaus bekannt: Verkehr, nicht selten Transitverkehr, Industrie, Holzverbrennung mit veralteten Hausheizungen und Einträge von Luftschadstoffen per Ferntransport, Landwirtschaft. Für Gewessler ist die nationale Umsetzung der Empfehlungen des Alpenzustandsberichts enorm wichtig. In Österreich seien dazu Immissions-Messungen von Ultra-Feinstaub und Ammoniak geplant. „Wir haben außerdem großen Handlungsbedarf im Sektor Landwirtschaft. Dieser Sektor ist für knapp 94 Prozent der Ammoniakemissionen – das heißt auch Feinstaubvorläufer – verantwortlich.“

Die kleinstrukturierte Berglandwirtschaft in Österreich stünde deshalb vor großen Herausforderungen. Eine Ammoniakreduktions-Verordnung mit verpflichtenden Maßnahmen ist bereits in Arbeit. Zudem betonte die Ministerin die begleitende Maßnahmen und Initiativen zur Bewusstseinsbildung, wie das klima:aktiv Mobilitätsprogramm des BMK. Europäische Initiativen dazu sind etwa die Zero Pollution Ambition, ein definiertes Ziel der EU zur Luftreinhaltung sowie die laufende Überarbeitung der EU-Wegekostenrichtlinie, die eine wichtige Möglichkeit für verlagerungswirksame Eckpunkte zur nachhaltigen Gestaltung des Straßengüterverkehrs darstellt.

Wasser und Biodiversität

Die Wiederherstellung und der Schutz von natürlichen Ressourcen wurden durch die Umweltministerinnen und -minister sowie andere hochrangige Delegierte bei der XVI. Tagung der Alpenkonferenz als zentrale Ziele der Alpenkonvention bekräftigt. Die Verantwortlichen verabschiedeten sowohl eine Erklärung zur integrierten und nachhaltigen Wasserwirtschaft in den Alpen – ein Novum und wichtiger Meilenstein, weil es bisher kein Durchführungsprotokoll zu Wasser in den Alpen gibt – als auch eine Erklärung zum Schutz der Bergbiodiversität und deren Förderung auf internationaler Ebene.

Auch in puncto Biodiversität sind die Alpen herausragend: Sie sind Lebensraum für mehr als 30.000 Tier- und 13.000 Pflanzenarten. Knapp 30 Prozent des Gebietes sind bereits geschützt. Zur Bedeutung der Bergbiodiversität plant Frankeich auch nach dem Ende seines Vorsitzes am 13. Jänner eine Veranstaltung zur Bewusstseinsschärfung für die Bedeutung dieser sensiblen Berglandschaften und einem stärkeren Engagement zum Schutz derselben.

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Die nächsten Schritte

Die Schweiz übernahm zum Abschluss der XVI. Tagung der Alpenkonferenz die Präsidentschaft der Alpenkonvention von Frankreich und bedankte sich für den starken Einsatz des französischen Vorsitzes in den vergangenen eineinhalb Jahren.

Die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga stellte den Themenbereich Klima als ihre Priorität für die Periode von 2021-2022 vor. Die Alpenkonvention wird dabei ihr Augenmerk auf den nicht-motorisierten Verkehr im Tourismus sowie auf Raumplanung und auf Raumentwicklung richten. Der Schweizer Vorsitz will eng mit den Alpenstädten und Alpengemeinden zusammenarbeiten.

Bundesministerin Gewessler begrüßte das ambitionierte Programm der Schweiz: „Ich freue mich auf die Schwerpunkte Klima, Nachhaltige Mobilität und Raumplanung und die weitere hervorragende Zusammenarbeit im Alpinen Klimabeirat. Danke für das Herausstreichen der Bedeutung des Fahrradfahrens. Damit wird der Fokus auf ein resilientes und gesundes Alltagsverkehrsmittel in der laufenden Pandemie gesetzt.“ Die Kombination aus öffentlichem Verkehr und Fahrrad bezeichnete sie als ‚Traumpaar‘. Damit würden klimafreundliche Mobilität mit Öffis sowie entsprechende Flächenerschließung für die erste und die letzte Meile geschaffen.

Weiterhin gelte es in einer länderübergreifenden Alpenpolitik die Alpen für all ihre Bewohner als stabilen Lebens- und Wirtschaftsraum im Herzen Europas zu sichern. Die einzigartige, vielfältige Natur- und Kulturlandschaft der Alpenregion kann nur durch gemeinsame Anstrengungen langfristig erhalten bleiben. Die Alpenkonvention wird unter diesen Kriterien auch weiterhin die Entwicklung dieses Lebensraumes nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gestalten.

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Hintergrund

Die Alpenkonvention ist ein einzigartiges, rechtlich verbindliches Nachhaltigkeitsinstrument, das darauf abzielt, die sensiblen alpinen Ökosysteme zusammen mit den regionalen kulturellen Identitäten, dem Erbe und den Traditionen in den Alpen für die kommenden Generationen zu erhalten. Unterzeichnet wurde die Konvention von den acht Alpenländern: Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich, Schweiz, Liechtenstein, Slowenien und Monaco sowie der Europäischen Union. Seit 1995 ist sie in Kraft.

Die Vertragsparteien teilen sich ein gemeinsames Gebiet und stehen somit vor gemeinsamen Herausforderungen. Sie haben aber auch ein gemeinsames Ziel: den Schutz und eine nachhaltige Entwicklung der Alpen. Dafür arbeitet die Alpenkonvention. Die Alpen sind Natur-, Kultur, Lebens- und Wirtschaftsraum für mehr als 14 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner sowie einer vielfachen Anzahl an Touristen, die jedes Jahr hier ihren Urlaub verbringen.

Die Alpenkonvention ist neben ihrem rechtlich verbindlichen Charakter auch eine politische Bühne, auf der die Vertragsparteien in Zusammenarbeit mit vielen Beobachterorganisationen über viele Jahre hinweg großes Fachwissen aufgebaut haben. In den neunziger Jahren war die Alpenkonvention ein Pionier ihrer Art, indem sie als weltweit erstes internationales Abkommen eine transnationale Bergregion in ihrer geographischen Einheit betrachtete.

Das gesamte Regiment der Alpenkonvention mit seinen Erklärungen, Statusberichten und vielfältigen Netzwerken ist zu einer bemerkenswerten Quelle von Ideen und Wissen geworden. Mehr über die Alpenkonvention unter https://www.alpconv.org/de/startseite/

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